Samstag, 8. Juli 2023

Tag 38: Der Kannibale ?

Elm - Linthal (Braunwald)
(28,8 km - 1.690 Hm auf - 1.850 Hm ab)

Die Wettervorhersage deutete auf einen ähnlich tollen Tag mit stahlblauem Himmel wie gestern hin. So sieht es aber eigentlich nicht aus...

Aber das ist jetzt schon Jammern auf hohem Niveau ;-)

Kein Regen. Nicht zu heiß. Paßt.

Während ich mich von Elm so per Zick-Zack nach oben schlängele, laufe ich bei einer Kehre direkt auf diesen Pfosten zu:

Die Schweizer denken aber wirklich auch an alles: Selbst ein Hans-guck-in-die-Luft, ein jugendlicher Handy-Junkie oder ein GPS-versessener Geocacher kann sich hier nicht wehtun, wenn er/sie - mangels Blick in Gehrichtung - an den Pfosten knallt !

Etwas weiter oben werden dann die Autofahrer auch noch vor Schlittlern gewarnt:

Aha, und noch etwas später zeigt sich die unübersehrbare Beschilderung/Markierung für die Moutain-Cart-/-Roller-FahrerInnen jetzt im Sommer:

Bei den Wanderer denken die Einheimischen sogar an die mit den DICKEN Rucksäcken:

Ich danke Euch ! - Wenn ich da an all die viel zu engen Weidedurchlässe im Osten denke...

Dieses Warnschild überfordert mich dann aber:

Als Mann zwei Dinge gleichzeitig zu tun, funktioniert bekanntlich nicht (Serialisierung !). Außerdem wie soll man WIRKLICH aufmerksam sein, ohne anzuhalten ?

Nach einer kurzen Stippvisite um eine Gondelumlaufbahn mit jeder Menge (mehr oder weniger fußkranker) Tagestouristen, bin ich ratz-fatz wieder ab vom Schuß, wobei hier in der Schweiz schon mehr Wanderer unterschiedlichster Art unterwegs sind als noch in Österreich oder Bayern. Nun ja, ist jetzt ja auch schon Juli.

Nach der Skihütte Obererbs (wo man auch übernachten kann) beginnt dann aber wirklich die Wildnis.

Als ich an der Hütte vorbeigehe, sehe ich gerade das schweizer Ehepaar, was mit mir in der gleichen Unterkunft war: Sie kümmern sich wohl gerade telefonisch um ein Quartier als ich sie passiere. Am Vorabend habe ich mich ein wenig amüsiert, weil die Frau klagte, wie schlimm der Abstieg war.

Nun,

1. sie hatte wohl keine Inge/gute Unterhaltung

2. der Abstieg war nicht soooo schlimm/lang

3. wenn sie wüßte, was HEUTE noch auf sie zukommt...

Aber vor dem Abstieg, liegt bekanntlich der Aufstieg. Zum Aufwärmen geht es in dieses Kar:

Das ist Terrain genau nach meinem Gusto !

Die Ausblicke. Die Farben. Das Wasser. Die wenigen Leute. Der gleichmäßige Anstieg. Die Höhe. Herrlich !

Der erste Übergang ist dann bald erreicht und ich kann nochmal zurückblicken:

Dann geht es gut 100 Höhenmeter bergab und am Horizont kann man schon den höchsten Paß für heute erkennen:

Manch einer hat hier wohl Gewichtsoptimierung betrieben:

Aber ob ich ausgerechnet meine Schuhsohle hier zurücklassen würde ?

Gut, so alt werden meine Bergschuhe nie, aber selbst wenn sich die Sohle löste, wozu hat man Sekundenkleber und Panzertape dabei ?

Plötzlich wuselt es vor mir nur so vor Menschen:

Wo waren die denn heute alle ? - Naja, ich bin wohl wieder als letzter gestartet, weswegen mutmaßlich alle Via-Alpina-Wanderer weit vor mir waren.

Mmmh, ich zoome diese Menschen optisch im Geiste an mich heran und plötzlich sind sie wirklich vor mir.

Ich hoffe, sie haben nur das Klappern meiner Stöcke und keinen strengen Geruch von hinten wahrgenommen, denn irgendwie gehen alle beseite schon Meter bevor ich überhaupt aufgeschlossen habe.

Plötzlich bin ich vor den beiden Paaren am Übergang... 

Mit 2.261 Metern toppt der Richetlipass gleich wieder den höchsten Punkt der Tour von gestern.

Das erste Stück der nun folgenden gut 1.600 Abstiegsmeter liegt hier - beim Blick zurück hinauf - bereits hinter mir:

Und es geht noch ganz schön bergab...

Zuweilen auch etwas nicht so ganz nach meinem Geschmack (im Gegensatz zur Seitenmoräne beim Günter-Messner-Biwack im Pfitschertal ist das aber schon gemütlich):

Auf dem Weg vom hinteren Talboden bis hinab nach Linthal passiere ich dann noch das eine und andere Grüppchen.

Parall läuft ja gerade die Tour de France: Da komme ich mir glatt ein wenig wie "der Kannibale" vor ;-)

Wobei sich das relativiert, wenn ich an die Osttirolerin denke, die sich die Tage aus Niederösterreich auf den Weg gemacht hat und mir nun schon fast im Nacken sitzt. Hinweis zu Kannibalismus für Anna: Meine Eltern würden wohl sagen, ich sei ungenießbar :-)

Der Fußweg am Fluß entlang bzw. hinab zu diesem hält dann auch noch Abwechslung bereit:

Im Ort geht es dann durch's "Gässli" weiter in Richtung Montreux...

Wobei ich heute mit der alten Bergsteigerweisheit "hoch gehen, tief schlafen" breche: Zum ersten Mal in meinem Leben, pendle ich zum Schlafen nicht vorwärts, rückwärts oder seitwärts, sondern aufwärts per Standseilbahn nach Braunwald:

Vorteil: Tolle Aussicht in das Tal gegenüber, welches ich herausgelaufen kam:

Weiterer Vorteil: Gebinde-Größen nach meinem Geschmack (1 Liter Apfelsaftschorle: muß man also nur 2x bestellen, um Flüssigkeitshaushalt wieder ins Lot zu bringen - hatte heute aber auch 2,5 Liter Wasser unterwegs dabei).


Übergänge:

- Scharte am Ärbser Stock, 2.161 m

- Richetlipass, 2.261 m


Begegnungen:

- Ehepaar vom Vorabend am Mittag

- Paar vom Vormorgen kurz vor Scharte

- Schweizer Paar kurz vor Scharte

- 2 Weitwanderer

- 2 französisch-sprachige Weitwanderer mit Camping-Equipment

- 1 Weitwanderin

- 1 französisch-sprachige Weitwanderin


3 Kommentare:

  1. Hey ich bin’s - Anna - rate mal wer mit mir auf der Terrasse der Skihütte Obererbs sitzt… ein Tipp du hast die zwei zwischen Sevelen und Sargans kennen gelernt und mich im Gespräch erwähnt.

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    1. Kerstin und Jan aus Bochum ?
      So klein ist die Welt und das Trail Radio (der Streckenfunk) funktioniert auch in der Schweiz.
      Sag den beiden ganz liebe Grüße, alles Gute und wenn sie Interesse haben, kannst Du ihnen ja Blog-Link auf ihr damaliges Vorkommen geben.
      LG und bis die Tage vom Klausenpass, K2.

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  2. Haha ja genau ☺️ freu mich schon wenn wir uns sehen - dauert noch ein bisschen

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