Als ich von der Jugendherberge durch Lenggries und weiter hinaus zum Fuß des Hausberges Braunecks spaziere, zeigt sich der stahlblaue Himmel völlig verhangen:
Bis zu 17 Gleitschirmflieger zähle ich gleichzeitig vor mir am Himmel.
Dafür ist der Hochseilgarten völlig verlassen und geschlossen:
Und dies an einem Sonntag. Komisch.
Über steile Schottersträßchen führt der Weg an den Skipisten entlang von Nordosten auf den Berg.
Ab und an wird eine Liftstation passiert, an dieser hier stehen sogar einige Schlange:
Bis der nächste Sessel kommt, dürfte es aber noch einige Zeit dauern, wobei ich keine Hinweisschilder entdecken kann, daß Rindviecher von der Beförderung ausgeschlossen wären ;-)
Für die Pisten-Beschneiung im Winter (oder wie die Jahreszeit hieß, wo es früher häufiger mal weiß vor der Tür war) dürfen sie hier aber noch einiges an Wasser sammeln:
Das letzte Stück bis zur Bergstation der Umlaufgondelbahn, welche auch im Sommer die Touristen auf den Berg schafft, ist dann ein Fußweg.
Heute ist natürlich einiges los und auch bergab sind schon etliche unterwegs.
Der Fernblick ist grandios und ich meine sogar Olperer und Gefrorene Wandspitze am Hintertuxer Gletscher in der Ferne erspäht zu haben...
Auch als der Steig immer schmäler wird, ist in Richtung Latschenkopf noch einiges los, auch wenn der Andrang (natürlich) weniger wird, je weiter man sich von der Aufstiegshilfe entfernt.
Ich habe ja nur meine beiden Trekkingstöcke als Aufstiegshilfe und das opulente Frühstück (das Buffet war besser als in manchem Hotel: Hackfleischklößchen mit Rührei gaben schon Energie und sind ein guter Start in den Tag) aus der Jugenherberge als Brennstoff.
Jenseits des Gipfelkreuzes des Latschenkopfs wird es dann zumindest etwas ruhiger.
Ich gehe (mit meinem Hinkelstein auf dem Buckel) natürlich nicht über die Achselköpfe weiter gen Westen, sondern bevorzuge den einfacheren und offiziellen Maximilians-/E4-Weg auf der Nordseite des Massivs entlang.
Hier lauert die größte technische Herausforderung, durch diese BMI-Kontrolle zu kommen, ohne im Filter stecken zu bleiben:
In der Ferne kann ich bereits die Benedigktenwand (kurz "Benewand") sehen, an deren Fuß auf der Nordseite die Tutzinger Hütte liegt, was mein heutiges Ziel der kurzen Etappe ist.
An diesem traumhaften Tag führt mich der Weg am frühen Nachmittag nun noch ein Paar mal auf und ab, bis ich vom Rotöhrsattel die Hütte schon fast erblicken kann.
Dort habe ich noch die Wahl zu einer Extra-Tour über die Benediktenwand obendrüber, aber ich bleibe auf der Nordseite, sonst müßte ich den Weg von der Glaswandscharte hinab zur Hütte am nächsten Tag noch ein Mal gehen.
Auch wenn die Hütte nach dem leidigen und im Ausgang bedenklichen Gerichtsprozeß vor einigen Jahren (ein Betrunkener wollte nachts ohne Licht und ohne die Augen zu öffnen - um danach wieder besser einschlafen zu können - auf die Toilette, wunderte sich noch über den kalten Luftzug und stürzte dann wegen einer fehlenden Absperrung von der Feuertreppe im Freien) einen neuen Wirt hat, präsentiert sie sich optisch ansprechend wie vor 15 Jahren:
Im Juli 2008 war ich hier mit der damaligen Arbeitskollegin Christine zur ersten Hüttenübernachtung auf dem Weg von München nach Venedig angekommen.
Die Einstiegsdroge quasi.
So begann das sozusagen alles.
Mit mir und dem Weitwandern.
Eine nun schon 15 Jahre anhaltende, pure Liebes-Beziehung und manchmal Abenteuerreise: Weißt Du noch ?
Nach der kurzen Etappe mit nur fünf Stunden Gehzeit, versuche ich mich erstmal am Rotkäppchenkuchen:
Nun kann ich sagen:
1. Schmeckt lecker.
2. Ist aber KEINE Mohntopfentorte (Menschen aus dem Osten Österreichs wollten mir das immer als ident verkaufen - entweder täuschen die sich oder die Tortenbäckerin hier): Der Boden ist wohl reiner Nußteig, die weiße Zwischenschicht weicher/cremiger und der rote Deckel eher auf Kirschbasis.
Und was mache ich nun den ganzen restlichen Tag ?
Es gibt hier nur ein Fernsehprogramm. Und da laufen eigentlich jeden Tag Wiederholungen. Fast wie eine Endlosschleife...
... aber ich finde es sehr entspannt, dieses Steinbock-Programm:
Könnte ich ewig zusehen !
Irgendwann wird es allerdings zu frisch und die Hintergrundbeleuchtung scheint am Fuß der Benewand auch defekt zu sein, nachdem nach und nach auch das letzte erleuchtende Spotlight ausgegangen war.
Auf der Hütte sind heute nur mehr ca. 25 Gäste über Nacht (am Vortag war sie noch voll) und knapp die Hälfte macht an Hand der Wanderführer-Literatur den Eindruck nach Venedig zu wollen.
Ziemlich spät (nach 19:00 Uhr) kommt noch ein Ehepaar, die mächtig fertig wirken. Ich frage mich erst, wie es denen wohl auf den weiteren, anspruchsvolleren und anstrengenderen Etappen gen Süden gehen wird, bis ich entdecke, daß deren roter Rother-Führer ein "a" nach dem "M" aufweist: Aha, Maximiliansweg-Wanderer und gar keine Venediger. Ich suche das Gespräch mit Claudia und Michael, um die neuesten Nachrichten aus dem Strecken-Funk abzugreifen. Das ist ein Glücksgriff: Daß die Herzogstandhäuser wegen Wassermangel gerade nur am Wochenende geöffnet haben wußte ich zwar schon, allerdings eröffnen mir die beiden darüber hinaus, daß die Hörnlehütte dieses Jahr wegen Umbau gar keine Übernachtungen ermöglicht. Oh, das ist mir neu und wäre eigentlich das Ziel für übermorgen gewesen. Gleich mal eine Umplanung beauftragen...
In der illustren Runde auf der Hütte ist auch noch ein älteres Ehepaar, welche die aus Norddeutschland vor Jahren nach Magnet-München gezogene Tochter besucht hatten und nun auf ihrer ersten Bergtour überhaupt unterwegs sind. Und gleich mit Hüttenübernachtung. Respekt !
Das 10er-Lager teile ich mir gerade mal mit zwei weiteren Personen und eine (kostenlose !) Dusche gibt es (trotz Wassermangels) auch.
Ach, ist das Leben schön, denke ich mir als ich so ziemlich die ganze Karte an alkoholfreien Getränken durchprobiert habe.
Begegnungen:
- 17 Paraglider gleichzeitig am Brauneck
- 1 Bergläufer aus München, der eigentlich aus Mittelfranken stammt
- 1 Steinbock am Fuß der Bene(dikten)-Wand
- 9 Steinböcke am Fuß der Bene(dikten)-Wand
- 2 Mittelfranken auf der Tutzinger Hütte
- 2 weitere Mittelfranken
- mindestens 10 München-Venediger
- Claudia und Michael (Maximiliansweg-Begeher: Füssen - Lenggries in diesem Jahr)
- Ehepaar aus Osnabrück (Tochter lebt seit Jahren in München) auf ihrer ersten Bergtour überhaupt
Genau, weisst du noch? Bei mir war es der 4. August 2011. Nach den gefürchteten Flachetappen aus München raus ging es dann in Lengries ENDLICH in die geliebten Berge. Der Weg von Lengries hoch aufs Brauneck war wie ein Befreiungsschlag aus der Ebene. Das war (und ist) mein Terrain. Und Steinböcke kannte ich bis dahin nur aus der Ferne. Ich erstarrte beinahe, als ich die vielen Böcke im Abstieg zur Hütte vorfand. Und das mitten im Weg, ohne Absicht, diesen zu verlassen. Unvergessen! Und bei der Ankunft in der Hütte löschte ich meinen Durst etwas anders wie du das üblich machst. Meine erste (und glaub auch letzte) Mass am Schluss eines Wandertages. Oh wie schwelge ich doch gerne in Erinnerungen! Lass grüssen, bis in ca. 10 Tagen
AntwortenLöschenDer Nürnberger Radfahrer hatte ja bereits in einem anderen Blog-Artikel entsprechendes kommentiert.
LöschenMal sehen, wer von den M-V-ern sich noch mit derartigen Geschichten hinter dem Ofen hervor traut.
Dir (und mountain-fantasy) habe ich dann ja 2015 auch noch (neben dem Skifahren ohne Ski und dem Eisbaden mit norddeutscher Badeente am Pfitscherjoch) zu einer Begegnung mit Steinbockmama und Steinbockgais im "Finschteren Tal" verholfen, wenn ich mich recht entsinne ?! - Die Frage ist, wer damals in eisig einsamen Höhen mehr erstaunt war: Menschlein oder Tierchen - In DER Kinderstube war vorher bestimmt noch kein 2-Beiner derartig hereingeplatzt ;-)
ca. 8 (ACHT) Tage.
LöschenHoppla, der Schnellreisende hat auch noch Vorsprung herausgewandert. Achte, dass du in Nizza nicht gleich übers salzige Nass weitergehst. ;-)
AntwortenLöschenJa, Mutter und Kitz hab ich noch in guter Erinnerung. Und so sind mir die Steinböcke immer wieder über den Weg gelaufen. Letztmals im Vorjahr auf der ersten grösseren Tour mit der mittlerweile bald 8 jährigen. Ein gelungener Start!
Liegt es am deutschen Qualitäts-Funknetz, dass es schon zwei Tage keine Berichte gibt? Oder hast du dich in der Tutzinger fest gesessen? :-)
AntwortenLöschenBin kurz vor Pfronten, also 4,5 Tage weiter. Ja, (fehlender) Empfang ist einer der Gründe für Funkstille. SOLLTE sich heute aber wieder ändern ;-)
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AntwortenLöschenGute Wanderführer haben alle ein "a" nach dem "M".
AntwortenLöschen*lol*
LöschenSogar nach JEDEM "M" *lotfl*
Maggiore ... Mängelexemplar. Ich hoffe mal ich darf dem Führer folgend oben bleiben und muss nicht nach Tirano absteigen. ;-)
Löschen"Mängelexemplar" ... wie meinen?
LöschenDas Buch war wohl vergünstigt und hat auf der Unterseite einen Mängelexemplar Stempel. Keine Ahnung was der Mangel sein soll, außer ein 2 mm breiter dunkler Streifen neben dem Stempel.
LöschenMeine beiden E1 Führer, die mir Freitag und Berndt aus Wien geschickt haben, sahen nicht ganz so gut aus, Ecken vom Einband etc.