Mittwoch, 21. Juni 2023

Tag 19: Und es gibt ihn doch !

Ruhpolding - Maquartstein
(25,6 km - 1.550 Hm auf - 1.640 Hm ab)

Als ich mich am Morgen fertig mache, nieselt es draußen. Regen ! - Kenne ich ja gar nicht mehr. In Vorfreude auf einen kühleren Tag, lasse ich gleich mal die Sonnencreme weg. Ein Fehler. Als ich einige Minuten später vom Quartier losmarschiere, sind nur noch ein paar Wolken am Himmel, von Regen keine Spur mehr. Nicht mal auf der Straße sieht man noch Reste des Spuks.

Heute steht eine Kamel-Etappe an: Zwei Mal hoch, zwei Mal runter.

Kurz hinter Ruhpolding geht es schon los mit bergauf, wobei mir dieses kleine Häuschen am Weg schon auch als Dominizil gefallen würde:

Hinter dem letzten Hof geht es in den Wald und damit die einsame Wildnis.

Markierungen gibt es keine und auch die Wegweiser sind an dieser Stelle rar.

Bei diesem Exemplar von über den Weg liegenden Bäumen heute, hat man sich immerhin noch die Mühe gegeben, ein paar Äste raus zu sägen, so daß ich halbwegs mit meinen 1,83 Metern und dem Hinkelstein am Rücken durchkomme:

Das ist aber nicht immer so: Bei einem anderen Limbo-Tanz habe ich nach der Kriecheinlage mehr Schmerzen als nach einer 10-Stunden-Etappe. Apropos Schmerzen: Die Fußgelenk-Sehnen-Thematik ward nicht mehr gesehen.

Manchmal zweifle ich ja am (gesunden) Menschenverstand. Hier ist wieder so eine Stelle:

Die querliegenden Totholz-Bäume hat niemand durchgesägt, aber einige Meter weiter hat jemand aufwendig von einem lebenden Baum einen Teil der Wurzel rausgesägt, damit am Weg keine 10-Zentimeter-Schwelle ist ?!

Herr, schmeiß Hirn vom Himmel !

Ich steige gen Hochfelln auf und kann schon das Hochfellnhaus ca. weitere 150-200 Höhenmeter oberhalb erkennen.

In Slowenien, Friaul-Venetien, im Salzburger Land und letztlich nochmal jenseits der Grenze in Bad Reichenhall hatten mich die Einheimischen ja deutlich davor gewarnt, daß ich einen Fehler in meiner Track-Planung zu Hause habe: Da sei kein Weg !

Ich müsse hoch zum Hochfelln und dann unweit wieder runter.

Von wegen/Wegen (mittlerweile auch mit mehr Infos auf den Wegweisern und Wegenummern - die Ruhpoldinger sind zumindest in dieser Hinsicht deutlich besser unterwegs als der Bereich Bad Reichenhall/Inzell):

Auf einem traumhaften kleinen Verbindungsweg komme ich direkt (ohne Gefängnis) auf Los.

Und es gibt ihn doch !

Manchmal habe sogar ich mal recht.

Die sonst zu gehenden Zusatzhöhenmeter waren ja auch im Budget gar nicht vorgesehen (sonst wäre das ja wieder so eine Schafberg-/Gamskogel-Etappe geworden). Und was nicht sein darf, kann nicht sein, wenn ich mal meinen Dickkopf aktiviert habe ;-)

Am Thoraukopf vorbei gehe ich weiter über einen kleinen Steig langsam bergab. Da kommen mir zwei Mehrtages-Wanderinnen (an den Rucksäcken nicht zu übersehen) entgegen: Die beiden aus Trier gehen sieben Tage den Salzalpensteig. Die einzigen Farbmarkierungen, die man hier in der Gegend an Bäumen findet, sind eben auch die Schablonen dieses Weges in zwei (Farb-)Varianten: Salzalpensteig und Salzalpentour. Natürlich nicht zu verwechseln mit dem Salzsteigweg (WWW 09) bei den gut markierenden Nachbarn !

Vor dem zweiten heutigen Anstieg, raste ich erstmal bei einer Diensthütte auf ca. 1.100 Metern und stärke mich etwas für das Nachmittagsprogramm: Der Hochgern (1.744 Meter) ist zu überschreiten. Diesmal auch ohne Tricks und doppelten Boden, sondern WIRKLICH obendrüber. Gipfelbesteigung !

Kurz nach dem E-Bike-Parkplatz geht es dann so richtig los...

Die Bischofsfellnalm hat heute am Montag Ruhetag und die Getränke im Brunnen zur Selbstbedienung sind nicht so nach meinem Gusto, also gleich weiter...

Im Hochkessel der Alm grasen die Kühe und zwischendrin kann die Expertin Lackenfelder Rinder erkennen (da war doch mal was). - Ob die sich aus Norddeutschland/den Niederlanden hier im Urlaub auf Sommerfrische befinden ?

Für mich geht es jedenfalls in den schweißtreibenden Steilanstieg - erst durch den Wald, dann durch offenes Gelände - auf einem Zick-Zack-Pfad mit angenehmer Steigung auf der Südseite hoch gen Gipfel.

Auf dem Weg kommt mir ein Vater mit seinem Sohn entgegen, wo ich wieder mehrfach nachfragen muß: Daß sie aus Franken kommen, war mir natürlich umgehend aufgefallen - nicht zu überhören ;-) Aha, aus Weißenburg (die Herkunft meines Großvaters) und somit auch Mittelfranken...

Am Gipfel treffe ich dann  auf Sandra und Uli aus dem Stuttgarter Raum, die mich gleich mal ablichten:

Die anderen, die ich da oben nun treffe, kann ich allerdings gar nicht leiden: Pferde-Bremsen. *argh*

Erst nachdem der Schweiß etwas im Wind und der Sonne hier oben abgetrocknet ist, habe ich meine Ruhe, um nochmal eine kleine Pause zu machen und die Aussicht zu genießen.

Im Abstieg versteige ich mich dann prompt (keine Schilder, keine Markierungen), weil ich - zugegebenermaßen naiverweise - davon ausgehe, daß man geradeaus dem Weg  folg und nicht im rechten Winkel rechts abbiegt, wenn kein Schild/keine Markierung dazu auffordert. Hätte ich doch mal besser auf's GPS geschaut ! So lande ich hinter einem Felszug, vom Stacheldraht eingezäunt und gehe unangenehm über große Felsbrocken, in der Hoffung, daß der auf dem GPS blau gepunktete Steig WIRKLICH irgendwann wieder (ohne Stacheldrahthindernisse) zum eigentlichen Weg zurückführt. Ich habe Glück !

Also weiter bergab auf dem Hauptweg...

Am Hochgernhaus empfangen mich schon Sandra und Uli mit einer Getränke-Empfehlung. Mmmh, Alkohol ist nichts für mich, aber evtl. etwas anderes...

Wie wörtlich das Schild zu nehmen ist, wird mir erst nach und nach bewußt:

Als nach mehrmaligem klingeln und rufen an der Theke niemand kommt, greife ich zur Selbsthilfe: Geld für die Schorle passend abgezählt auf die Kasse gelegt, schwups, hinter die Theke zum Kühlschrank, Getränk entnommen und noch nett mit den beiden anderen auf der Terasse geplaudert. Der Wirt ist auch nach einer halben Stunde noch nicht wieder aufgetaucht, obwohl Sandra und Uli Stein und Bein schwören, daß es jenen wirklich gebe.

Ich verabschiede mich von der Schwabenfraktion und gehe in den 7-km-Endspurt gen Tal - schließlich habe ich heute noch eine Verabredung.

Am Ortsrand von Marquartstein - am gähnend leeren Parkplatz - habe ich dann noch ein Déjà-vu: Könnte schwören hier war ich schon mal (bei Eis- und Schneeresten) als der Parkplatz gerappelt voll war.

Wenige Minuten später habe ich auch schon mein authentisches Quartier erreicht:

Der Herr des Hauses läßt laut Frauchen alles mit sich machen:

Mein Multi (Duschgel suchen, entkleiden, anfeuchten, einseifen, abduschen, ankleiden) dauert dann doch noch etwas länger, so daß die Abordnung der Chiemgau-Geocaching-Fraktion (Geli/engelchen62 und Gabi/uhug) beim Hofwirth zur Post noch etwas auf mich warten muß.

Aber gut Ding will Weile haben ;-)

Lecker war's und vielen Dank für den Besuch, Ihr beiden !


Begegnungen:

- 2 Damen auf 7-tägiger Salzalpenstein-Tour aus Trier

- 1 Eidechse

- Vater und Sohn aus Weißenburg

- 1 (unbekannte) Schlange

- Sandra und Uli aus dem Stuttgarter Raum

- Gabi (uhug) + Geli (engelchen62) zum Abendessen


4 Kommentare:

  1. Der Herr neigt mal wieder dazu hoffnungslos zu übertreiben ;) Mir ist erst kurz bevor wir uns bei Salzburg trafen aufgefallen, dass es weder in der Kompass-Karte, noch Openstreetmap, noch Komoot diesen Verbindungsweg gibt. Tja, und nun gibt es ihn doch, gut zu wissen :)

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    1. Übertreiben ?
      Er hat keine Ahnung, wovon sie spricht ;-)

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    2. Ah, da hat wohl der falsche Bua geantwortet ;)

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  2. Also ich behaupte ja seit Jahren, dass es da auf dieser Welt keine Ausnahme gibt: Wenn irgendwas mit "-steig" aufhört, hat's die Tourismuswirtschaft verbrochen, und das in der Regel ohne sich um die Einbindung der alpinen Vereine zu bemühen.

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