Montag, 28. August 2023

Tag 68: Mit Betonschuhen durch die Muren

Plampinet - Briaçon
(29,8 km - 1.220 Hm auf - 1.480 Hm ab)

Am Morgen regnet es. Erst leicht. Dann vor dem Aufbrechen doch (schon) so stark, daß komplette Regenmontur angezeigt ist.

Naja, war ja auch für heute entsprechend vorhergesagt.

Ich trödle noch ein wenig, aber um 09:00 Uhr starte ich denn mal doch in die Nässe.

Vom Haus weg geht es über eine Schotter-Straße gleich mal richtig hoch gen Osten in die Berge.

Die ersten beiden Stunden regnet es ganz ordentlich und gleichmäßig, aber es schüttet nicht.

Nichtsdestotrotz komme ich an eine Abzweigung, wo ich nach Süden abbiegen muß, an einen stark angeschwollenen Bach, wo die Furt bzw. die (vermuteten) großen Steine zum Passieren für Fußgänger augenscheinlich entweder Land-unter oder weggespült sind.

In der braunen Brühe (siehe Beispiel-Foto - in klein - vom Vortag) ist auch nichts zu erkennen.

Mmmh, aber ich MUSS da durch !

Ich bin (mal wieder) froh über meine Bergstiefel: Die Höhe genügt auf Zehenspitzen gerade so, um mit Stocktasten langsam durch den reißenden Bach zu waten.

Puh, gut daß es gerade keinen Starkregen hat, sonst hätte ich hier auf ca. 2.000 Metern und gut der Hälfte des Anstiegs bis zum ersten Übergang wohl ein ernsthaft(er)es Problem gehabt !

Im weiteren Aufstieg läßt der Regen bereits etwas nach und zwischen den beiden dicht beieinander liegenden Übergängen des heutigen Tages tröpfelt es nur noch.

Als ich am Col de la Lauze auf über 2.500 Metern stehe und in den (Steil-)Abstieg schaue, ist es eigentlich trocken und ich habe fast das Gefühl, als würden ein paar Sonnenstrahlen wärmend auf die Kapuze brennen.

So kalt wie befürchtet wurde es (vorerst) auch nicht: Mein Rucksack-Thermometer zeigt immer noch 10° und da es nahezu windstill ist, läßt es sich wirklich gut aushalten.

Nun aber trotzdem: Ab ins Tal, denn die Schuhe sind schon lange durch.

650 Höhenmeter tiefer im Skiort Montgenèvre scheint dann am Mittag plötzlich die Sonne !

Wie mir später von verschiedenen Seiten zugetragen wird (Wien, Mittelfranken, West-Österreich, München, Frankreich), könnte das hier und heute wohl so etwas wie ein einsames, gallisches Dorf bezogen auf das Wetter im Umkreis von ca. 500 Kilometern sein. Man(n) darf auch mal ein wenig Glück haben ;-)

Erstmal die Kamera auspacken...

Dann die entledigten Sachen zum Trocknen ausbreiten:

Und letztlich eine ausgiebige Mittagspause (im Stehen - damit auch der Kerl etwas trocknet) genießen, wobei der (aktualisierte) Wetterbericht immer noch von starkem Dauerregen schwadroniert. (Digitales) Papier ist (auch) geduldig ?!

Am Ortsrand führt der Wanderweg dann auf einem schmalen Pfad weg von der Straße und auf der anderen Talseite bergab.

Hier muß es - mutmaßlich vorletzte Nacht ? - ganz schön mit Starkregen gewütet haben, denn frische Murenabgänge verlegen teils den Weg, wobei man sich bei dem nun (wieder) kleinen Rinnsal überhaupt nicht vorstellen kann, wie die ganzen Steine und der Schlamm hier bewegt worden sind:

Problem, was ich bereits hier bei der kleinen Verlegung merke: Die "Seiten-Moränen" sind (noch) dermaßen naß, daß man wie im Sumpf darin einsinkt:

So ist das, wenn der Beton für die Schuhe noch frisch ist und (noch) nicht abgebunden hat.

Aber hey: ICH verordne doch üblicherweise Betonschuhe ?!

Die nächste Mure ist schon etwas größer (man beachte den Felsblock links !), läßt sich aber leichter passieren, da senkrecht zum Weg:

Und so spaziere ich weiter immer leicht bergab, den Talhang hinaus gen Westen...

Die letzte Mure hat es dann wirklich in sich:

Ich habe ernsthafte Probleme, durch den halben Meter tiefen, frischen Morast-Felsbrocken-Beton, mehr als ein Duzend Meter breit auf der anderen Seite herauszukommen bzw. diesen zu überqueren, ohne (unwiderruflich, endgültig, unwiederbringlich, final, fatal) im Morast zu versinken, Schuhe darin zu lassen oder zu langsam zu sein und nie wieder rauszukommen, wenn das mal hart geworden ist.

Aber wo ein Wille, da ein Weg ;-)

Und an Willen (oder Dick-/Holzkopf) mangelt es mir manchmal nicht gerade...

La Vachette unten im Talgrund ist das eigentliche Etappenziel, aber seit zwei Tagen habe ich keine Antwort auf meine Mail- bzw. Webseiten-Kontakt-Anfrage zwecks Übernachtung vom Gîte d'Etape erhalten, der Weg geht eigentlich hier direkt weiter und ein Regentag, der im Trockenen endet ?

Ich checke an der Abzweigung also das Regenradar: Ok, könnte später noch etwas feucht werden - prima - und reserviere mir ein Hotelzimmer in Briaçon :-)

Ein Stück weiter kommt mir ein französischer GR5-Wanderer entgegen (Ziel: La Vachette), der bestes Englisch spricht: Er ist heute SECHS Stunden durch strömenden Regen gestapft - da hatte ich also ECHT Glück, wie ich erneut feststelle.

Später fängt es wieder zu Nieseln an, aber außer Kamera-Wegpacken fällt mir dazu nichts weiter ein: Das bißchen Feuchtigkeit ist es nicht wert, die Regensachen nochmal rauszuholen.

Merke: Durch Hitze karamellisierter Zucker ist nicht mehr so wasseranfällig !

Die einzige Stadt auf dem GR5 zwischen Genfer See und Nizza am Mittelmeer erreiche ich über die alterwürdige Festungsanlage:

Durch die Burg geht es durch und dann hinab in die Stadt...

Wobei ich die Straße nach kurzer Zeit bereits wieder verlassen kann:

Über einen abwechslungsreichen und teilweise etwas wilden Trampelpfad führt die Markierung fernab von Stadt-Trubel, Autos und Besiedlung den Hang entlang weiter bergab.

Netter Weg...

Als ich das Grund-Niveau erreicht habe, quere ich den Fluß und die braune Brühe zeigt die Folgen des regnerischen Wetters:

In der Nähe des Bahnhofs (BTW: mindestens ähnlich heruntergekommen wie deutsche Bahnhöfe) liegt dann mein Hotel unweit des netten Graffito:


Übergänge:

- Col de Dormillouse, 2.445m

- Col de la Lauze, 2.526m


Begegnungen:

- 3-köpfige Reh-Familie

- 1 französischer Wanderer in Gegenrichtung bei La Vachette, der heute sechs Stunden Regen hatte


3 Kommentare:

  1. Dann hattest du ja heute mal eine leise Vorstellung davon, wie sich das mit Betonschuhen so anfühlt ;)

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  2. Immerhin konntest du mit "Betonschuhen" weiter. Auch hier in Vaduz hatten wir die letzten 3 Tage knapp 200mm Niederschlag. Felder sind zum Teil Seen und einige Wege in der Höhe sind wegen Murenabgängen gesperrt. Wir warten schon freudig wieder auf die Sonne. Ich habe nun auch entdeckt, dass du schon "kurz" vor Nizza bist. Könntest du allenfalls noch etwas weiter wandern? Mir gefällt die Lektüre so und ich kann mir schlecht vorstellen, ohne deine täglichen Berichte auszukommen. ;-) Grüass Pepi

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    1. Lieber Pepi.
      1. In meinem Rucksack sind nicht nur ein paar Schneesachen, sondern auch ein paar Portionen Sonne.
      Heute gleich mal wieder eine ausgepackt: siehe Tag 70
      2. Du liegst richtig: Der finale Countdown wurde heute in Gang gesetzt.
      3. Zwecks länger Wandern: Da mag es unterschiedliche Stakeholdergruppen geben.
      Tipp: Investiere in ein paar stimmberechtigte Vorzugsaktien der Mafia Inc. und stelle entsprechende Anträge bei der Hauptversammlung.
      Liebe Grüße, K2.

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