Mittwoch, 6. September 2023

Tag 75: Ein letztes Mal hochalpin und wieder vereint

Roya - Ref. de Longon
(21,4 km - 1.350 Hm auf - 960 Hm ab)

Hier in Roya gibt es - dank eigenem Funkmast direkt über den 20 Häusern - super Empfang.

So ist mein morgendlicher Plan - in Anbetracht der kurzen heutigen Etappe (ins nächste Funkloch, wie ich weiß) - erst noch etwas Blog zu schreiben und weitere Unterkünfte zu organisieren.

Der Plan ist (an sich) gut, aber wie heißt es so schön: Die Rechnung war wohl ohne den Wirt gemacht.

Genauer gesagt, ohne die beiden Wirte: Um kurz nach 08:00 Uhr wird mir auch im Schuhraum im Untergeschoß deutlich klar gemacht, daß ich jetzt mal gefälligst Land gewinnen sollte.

Nun ja, die beiden sind was diese Regeln angeht schon recht eigen: Am Vorabend wollten die Mutter der Familie und ich uns um 18:50 Uhr in den Gastraum begeben, wo bereits alles für den 19:00-Uhr-Beginn des Abendessens fix und fertig vorbereitet war, aber auch da wurden wir sehr bestimmt hinaus komplementiert auf die Terasse - gut, daß es zwischenzeitlich das Regnen aufgehört hatte.

Erst PUNKT 19:00 Uhr bimmelte dann einer der beiden Chefs wie an Heiligabend (apropos: wo steht nochmal schnell die Weihnachtsgeschichte geschrieben ?) mit einer Glocke und wir durften - quasi zur (Abendessen-)Bescherung - in die heiligen Räume.


Vom Regen des Vorabends sind nur die frisch ausgewischten Wege und der strahlend gesäuberte Himmel verblieben:

Ich bin mal wieder als letzter los und trotzdem laufe ich bereits in der ersten halben Stunde - noch im Schatten - auf zwei Damen auf, die wohl im Zelt genächtigt haben.

Anfangs ist der Anstieg sehr moderat, allerdings gilt es, sich hier nicht all zu lange aufzuhalten, denn das Wegstück gilt als Steinschlag gefährdet:

Aus dem Kessel, am Ende des ersten Hochtals geht es dann steiler in Serpentien bergan, wobei oben angekommen der Blick zurück mehr als entschädigt:

Und schon geht es ins nächste Hochtal, wobei ich langsam den vor mir gestarteten Grüppchen näher komme...

Noch werfe ich lange Schatten:

Ein einsames Zelt der stabileren Bauart, dürfte wohl einem Schäfer zuzuordnen sein, auch wenn gerade von Schafen, Hunden und sonstigen Einheimischen nichts zu erspähen ist:

Vor mir ist nun quasi eine Zweier-Seilschaft unterwegs: Gérard als Zugtier für seine Frau...

Aber nicht, daß jetzt Initial-Verwandte (keinesfalls zu verwechseln mit initial Verwandten oder gar initial verwandten Initial-Verwandten !) auf dumme Ideen kommen... ;-)

Wie üblich, lassen mich die beiden höflich, zuvorkommend und mit einem Lächeln passieren.

Es geht nun langsam - und ein letztes Mal auf meiner Tour - ins hochalpine Gelände:

Bis zum Übergang Col de Crousette habe ich auch die restlichen Grüppchen überholt bzw. zumindest eingeholt.

Ich nutze die Gelegenheit, um mich mal komplett ablichten zu lassen:

Wer genau hinsieht, mag erkennen (können), daß ich an der Taille kaum noch zehn Zentimeter Spiel beim Rucksack habe und die Bändel schon auf beiden Seiten bis zu den Knien hinabhängen.

Naja, immerhin haben meine verlorenen 15 Kilo zuletzt immer dafür gesorgt, daß meine besorgten Mitwanderer es abends immer besonders gut mit mir und dem Nachschlag (ich sage in der Regel auch beim dritten und vierten nicht unbedingt nein ;-) meinen.

Manchmal ist die Welt (und sogar die Menschheit) so gut zu einem !

Fast wie im Paradies.

Fehlt quasi nur noch eine Eva.

Nun ja, wer weiß, der weiß, wer weiß...

Apropos: Wie und wo war das nochmal genau mit dem Auto von Opel und dem Crash, der uns allen heute noch nachhängt ?

Bevor ich weiter sinniere, steige ich als erster in die Flanke des Ausläufers des Le Petit Mounier (2.728m), denn der Weg führt vom Col nicht auf der anderen Seite bergab, sondern schräg weiter bergauf:

Unter mir kann ich währenddessen vier Gämsen ausmachen:

Der markante Punkt an der Stèle de Valette ist mir noch von 2014 in Erinnerung:

Nicht unbedingt in (aller-)bester allerdings: Damals kam ich über die Höhe, rings um mich herum lungerten kleinere und größere Grüppchen bei ausgiebigen Pausen und irgendwie wollte damals augenscheinlich keiner (außer mir) die schwarze Wolkenfront wahrhaben, die gerade heranrollte.

Nun, heute ist das Wetter dagegen klasse und so kann ich mir die Zeit für ein paar Fotos nehmen...

Preis-Frage: Gibt es auf dem Mond wirklich so tiefe Täler ?

Ich bin bester Laune, auch wenn die hohen Berge ab morgen hinter mir liegen...

Nach dem ersten (steileren) Abstieg zieht sich der Weg auf einem Hochplateau erstmal einige Zeit dahin:

2014 war das ziemlich nervenaufreibend, weil das Unwetter schrecklich schnell aufzog - heute dagegen alles entspannt zum genießen...

Und auch, daß die (Bart-)Geier mal wieder über mir kreisen, macht mir keine Sorgen, sondern regt nur zum "Knipsen ins Blaue" ein: Bei der Sonneneinstrahlung ist auf dem Display und mit der Vergrößerung nämlich absolut nichts beim Abdrücken zu erkennen.

Aber der eine oder andere Schnappschuß gelingt irgendwie - mit mehr Glück als Verstand, würde mein Vater nun wohl sagen:

Langsam (aber sicher) führen die Geländewellen denn aber mal doch bergab...

Die Landschaft ist schon beeindruckend: Innerhalb kürzester Zeit kam ich von ganz links der Bergkette im Hintergrund:

Im Talschluß kann ich schon den Gegenanstieg gegenüber im Osten erkennen:

Oben, am letzten Übergang (Portes de Longon, 1.945m) für heute, kann ich unweit hinter mir einen einzelnen Wanderer erkennen, der im Aufstieg deutlich Boden gut gemacht hat: Mmmh, ob das wohl Adrian ist, der vielleicht in Auron übernachtet und statt gestern Doppel- und heute Normal-Etappe einfach zwei 1,5-Tages-Etappen gegangen ist ?

Manchmal haben die Franzosen schon auch (mobiden) Humor:

Diesmal kommt mir die Kuh hier aber nicht aus:

Diesmal fällt das Hochtal leicht gen Südosten ab und ich schlendere das restliche Stückchen meinem heutigen Tagesziel entgegen...

Zwischendurch treffe ich noch eine Gruppe von Eseln in unterschiedlicher Lackierung:

Das Refuge de Longon sieht äußerlich noch wie 2014 aus, allerdings wurde es innen mittlerweile komplett ausgebaut, was mir Andrea bereits vor ein paar Wochen per Mail berichtet hatte.

Ca. 15 Minuten nach mir erreicht wirklich Adrian als zweiter für heute das Tagesziel: Er war wirklich flott unterwegs !

Dabei wirkt er alles andere als geschafft.

Im Gegensatz zu den beiden Welpen:

Überhaupt gibt es hier auf der Alm jede Menge (spezielle) Tiere. Manche davon befinden sich auch mal gern im Mittelpunkt:

Andere (potentielle Nachtschicht-Arbeiter) suchen einfach nur Ruhe und möglichst Schatten:

Nachdem später auch Sean und Louis, die beiden älteren Franzosen, von ihrem Marsch aus Auron eintreffen, sind die "üblichen Verdächtigen" nun also auch alle wieder an einem Ort.

Gegen 18:45 Uhr (also vier Stunden nach meiner Ankunft) tauchen die beiden Damen mit Zelt (sichtlich erschöpft und die eine hat wohl Probleme mit dem Knie) auf und sprechen mit der Chefin. Hier ist - im Gegensatz zu sonst - allerdings das Zelten in Hüttennähe nicht erlaubt. Bleiben (und im Haus übernachten) wollen die beiden aber augenscheinlich auch nicht und so machen sie sich nach dem Nachtanken von Wasser mit der untergehenden Sonne wirklich noch auf den weiteren Weg ein Stück gen Tal. Nun, das wäre ja nichts für mich, denn die sind ja bestimmt schon elf Stunden unterwegs...

Das Abendessen besteht heute übrigens mal aus FÜNF Gängen (wobei ich den kalten-Käse-Gang zwischen Hauptgericht und - süßem - Dessert auslasse, was meine Gang aber auch schon weiß ;-)

Abends habe ich dann etwas Schluckbeschwerden und die Nase läuft mehr als sonst: Gut, daß in den nächsten drei Tagen die Etappen nur 27-29 Kilometer lang und 950-1.250 Aufstiegsmeter schwer sind - bei jeweils 6,0 - 7,5 Stunden Gehzeit sollte ich mich etwas erholen können.


Da waren's nur noch 4...


Übergänge:

- Barre de Sallevieille, 2.235m

- Col de Crousette, 2.474m

- Stèle de Valette, 2.562m

- Col du Refuge, 2.068m


Begegnungen:

- 2 Damen mit Zelt kurz nach Roya

- 3er-Familie

- 4 Gämsen

- 2 Bartgeier

- 2 Murmeltiere

- 1 Murmeltier

- 1 Murmeltier

- 6 Esel

- Adrian (heute aus Auron)

- 2 ältere Franzosen (heute aus Auron)


1 Kommentar:

  1. Stichwort "morbider Humor" - das Foto habe ich 2016 genau auf derselben Etappe gemacht (der Stock ist nicht von mir, der war so):
    https://www.vergissmi.net/wp-content/uploads/2016/09/20160928_164020-1280x720.jpg

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