Am Vorabend mußte ich mit dem Chef des Quartiers nochmal ein ernstes Wörtchen reden - nein, eigentlich war es ganz kommod: Per E-Mail hatte ich einen unmöglich sportlichen Zeitplan mit übertriebenen Erwartungshaltungen erhalten und versuchte im Anschluß so an den verschiedenen Randparametern wie frühest möglicher Frühstücksbeginn sowie Feilschen um ein akademisches Viertelstündchen zu drehen, daß eine Realisierung in den Bereich des Machbaren rücken konnte.
Gesagt getan: Frühstück auf 07:00 Uhr vorverlegt, die Dealerin der heißen Ware auf 08:00 Uhr vertröstet und die 555 Meter Luftlinien-Distanz zum angebenen Rendez-vous-Punkt zwecks Zu-Fuß-Erreichung ausgelotet.
Derart (und darüber hinaus) vorbereitet, konnte am Morgen bei genialstem Wetter eigentlich so gut wie nichts mehr schief gehen...
08:01 Uhr an der Abzweigung in die Berge: Da sitzt sie nun. Anna. Die Willige in/unter Willigen.
Mit einer Micro-SD-Speicherkarte nach meinem Gusto (da ich nicht so naiv wie die deutsche Industrie bin, hatte ich bzgl. meiner mittlerweile fragwürdigen Speicherkarte im GPS Multi-Sourcing betrieben und eine über den Schweizer in Liechtenstein sowie eine via Niederösterreich bei der aus Osttirol stammenden und in Tirol aufgewachsenen Weitwanderin bestellt).
Nun bin ich mit neuer Karte und Backup wieder optimal ausgestattet.
Unterwegs werden wir darüber philsophieren, wie lange wir schon in Kontakt sind (6 Jahre, meint Anna ?) - Gewissheit wird es erst nach der Rückkehr nach Hause geben.
Jedenfalls war unsere Mail-Kommunikation im Frühjahr ganz lustig, als wir nach etwas Geplänkel feststellten, daß wir ZUFÄLLIG zur selben Zeit in der selben Gegend unterwegs sein würden (sie schnell und kurz, ich lang und langsamer) und es Überschneidung im Berner Oberland gibt.
Ich mußte also nur 52 Wandertage (oder ca. 1.300 Kilometer mit mehr als 45.000 Aufstiegsmetern durch Slowenien, Italien, Österreich, Deutschland, Liechtenstein und die Schweiz) ab Tolmin mein Programm nach Zeitplan abspulen und SCHON würde ich die in Bludenz gestartete Anna auf mich auflaufen lassen können und endlich mal persönlich kennenlernen.
Soll aber Leute geben, die lasse ich (beruflich oder privat) ganz anders auflaufen ;-)
Jedenfalls gehen wir heute zusammen hinauf zur Grossen Scheidegg.
Vorteil für uns beide: Heute braucht es kein Stativ: AdjutantIn für Fotoaufgaben allzeit nahebei parat.
Erstes Motiv: Der Reichenbachfall, den ich gestern und am Morgen aus der Ferne bereits abgelichtet hatte...
Der Weg ist heute sehr einfach, die Steigung mit der Zeit moderat und wir werden bis zum Pass bereits zwei Drittel der heutigen Strecke zurückgelegt haben.
Unterwegs liegt das alt-ehrwürdige Hotel Rosenlaui am Weg, wo Bergidyll und Kitsch-Vorurteile zusammen kommen:
Weiter geht es bergan und nach den zwei Tagen mit schlechtem Wetter ist es heute bis Mittag (20°) eigentlich ganz angenehm.
Kurz unterhalb des Übergangs kann man schon die (noch) Gletscher-bedeckten Felsmassive hier im Berner Oberland über den Horizont lugen sehen.
An der Grossen Scheidegg (1.962 m) kehren wir auf ein Getränk zusammen ein.
Und dann gibt es noch das obligatorische Abschiedsfoto mit der Eiger-Nordwand im Hintergrund:
Apropos Hintergrund: Anna wird bergab nicht gehen, sondern LAUFEN.
Deswegen der Abschied am Paß.
Aber so wie wir uns nett unterhalten haben, schließe ich nicht aus, daß man sich irgendwann, irgendwo in den Bergen oder anderen ostösterreichischen Gefilden mal wieder über den Weg läuft.
Und bis dahin dürfen (nicht zur Strafe, nur zur Übung) geocachende Menschen aus jener Gegend (zu denen Anna nicht gehört) gerne weiterhin über die Namensgebung "Neu schtaDd Wien ?" sinnieren, spekulieren oder an einem der nominell mit am längsten ungefundenen Geocaches Österreichs verzweifeln oder einfach das Land nach der Dose absuchen (Hint) :-b
Vielen herzlichen Dank, Anna, für den tollen gemeinsamen Vormittag, wo Du den alten Herrn im Schlepptau den Berg hochgezogen hast ! Ich hatte es Dir ja schon vor Monaten prophezeit :-)
Darüber hinaus (auch für die nächsten Jahre): Alles Gute für DEIN Großprojekt. Und halte mich doch einfach auf dem Laufenden...
Harter Schnitt und Blick hinüber zu First und Schynigge Platte:
Da war ich vor weit mehr als zehn Jahren mal nach einem Geschäftstermin bei der Pistor in der Nähe von Luzern auf Anraten der lokalen Bergfexe in Angesicht von Eiger, Mönch und Jungfrau unterwegs gewesen auf einer traumhaften Tour, die ich unbedingt in meinem Leben nochmal bei sternklarem Himmel und Vollmond wiederholen möchte.
Heute brennt die Sonne dagegen (tagsüber) wieder ordentlich vom Himmel, so daß sich diese Ziegen ganz geschickt in den Schatten verkrochen haben:
Stück für Stück steige ich gemütlich in Richtung Grindelwald am Fuß der Eiger-Nordwand ab.
Überall am Weg findet man schon Hinweise auf den großen Eiger-Ultra-Trail-Lauf am nächsten Tag:
Ist schon irgendwie lustig: In der UTMB-Serie (Ultra-Trail-Montblanc) hatte ich ja schon in Salzburg den "Mozart 100" gestreift, nun hier den Eiger-Trail (da muß ich morgen bzgl. schnellem Gegenverkehr wohl ganz schön aufpassen !) und wenn alles so weiter läuft, werde ich auch das Original (zumindest die Route) tangieren...
Auch heute sind bereits einige auf kürzeren Routen unterwegs, wobei das eher nach Speedhiking denn nach BergLAUF aussieht. Wahrscheinlich Rahmenprogramm.
Zwischendurch noch ein Exot: Ein mächtig bepackter Fernradler aus Korea...
Immer wieder bleibe ich kurz stehen und schaue zu den mächtigen Gipfeln mit ihren Gletscherresten...
Zwischendurch treffe ich auch mal einen der Fanfarenhupenklangerzeuger: Die Straße von Grindelwald über die Grosse Scheidegg nach Meiringen (bzw. zurück) ist nämlich für den öffentlichen motorisierten Verkehr gesperrt, aber das Postauto fährt recht häufig und mit den schnellen Radlern in der Abfahrt ist das nicht ganz ungefährlich (entgegen kommend bzw. wegen Auffahrunfällen), so daß den ganzen Tag der Klang wie bei ganz alten Feuerwehrautos durch die Gegend schallt, wobei die Gefährte ja auf dem neuesten Stand sind:
Sehr sympatisch.
Und authentisch.
Ich mag ja gewisse Anachronismen...
Herrlich auch, daß man als Wanderer die Straße meist nur kreuzt und nur selten mal ein Stück entlang gehen muß.
In Grindelwald selbst wird dann spontan immer der Verkehr angehalten, wenn mal wieder einer der Walker gerade in Richtung Zielbereich unterwegs ist:
Die Werbewand macht schon Lust:
Natürlich NICHT auf's Laufen, aber auf die Landschaft und die nächste(n) Etappe(n) hier in der Gegend.
Wegen des Laufs ist natürlich alles ausgebucht (Anna bekommt nicht mal mehr ihr kleines Zelt auf dem Zeltplatz unter, wie ich später mitbekomme) und ich setze wieder auf Pendel-Strategie.
Frisch gestärkt geht es für mich per Bahn zum Schlafen (und mehr) raus nach Interlaken...
Begegnungen:
- Anna aus Wiener-Neustadt auf ihrem Weg ans echte Ende der Alpen
Also „echtes“ Ende würde ich nicht behaupten sondern DAS Ende zum Apennin auf der anderen Seite und gestartet am einen Ende zum Wiener Becken hin. Schließlich gibt bei den Alpen mehr Enden als bei einer Wurst. Daher hat jeder Recht der von einem zum anderen Ende der Alpen gibt. LG Anna
AntwortenLöschenNeid und Missgunst!!
AntwortenLöschenWie meinen ?
LöschenDu hast mit der Anna wandern dürfen!!
LöschenAh, ja. Stimmt.
LöschenDAS ist wirklich Grund für Neid ;-) - Zumindest solange es nicht bergab geht...
War aber auch viel Disziplin im Vorfeld durch ganz Österreich, die südbayerische Diaspora und ein Stück FL/CH nötig :-)