Samstag, 1. Juli 2023

Tag 29: Im Reich der Märchenschlösser

Kenzenhütte - Füssen
(24,5 km - 1.090 Hm auf - 1.570 Hm ab)

Nach den letzten beiden, eher trüben Tagen, lacht heute wieder die Sonne.

Oh, wie ist das schön :-)

Wobei ich mir vor dem Start erst noch Geschichten eines älteren Münchners auf der Hütte anhöre, wie er unlängst mit dem Rad von Hamburg in zwölf Tagen 1.100 Kilometer nach München geradelt ist. Geschlafen hat er auf Campingplätzen im Bergsteigerzelt. Toll und abwechslungsreich war es, nur von Dunkel-Deutschland war er geradezu entsetzt: Wenn das (mehrfach betonte) Highlight des Campingplatzes der NEUE Automat ist, wo man ein Bier (und einen kurzen) für einen Euro bekommt (ihm bleib dann abends auch nichts anderes übrig, als sich damit zu trösten), man zum Essengehen ins Jenseits (des Ortsendes) geschickt wird, um zu realisieren, daß die Einheimischen ernsthaft die Imbissbude am Baumarkt-Supermarkt-Konglomerat nach immer gleichem Muster meinen und man dann aus dem aktuellen AfD-Landrat-Landkreis über eine unsichtbare grüne Grenze gen Süden in den Westen fährt und plötzlich ALLES sichtbar ganz anders ist, fragt man sich schon, was in den letzten 30 Jahren alles schief gegangen ist.

Blühende Landschaften...

Ich erwähnte NICHT, wo ich eigentlich herstamme und er schwärmte von Bratwürsten auf einem Marktplatz (Coburg), wo es richtige Menschen aller Alterstufen und Läden gibt...


Direkt von der Hütte weg, geht es bergauf und Schritt für Schritt auf den Kenzensattel zu.

Typisches Gämsen-Gelände, denke ich mir noch - nachdem ich bisher auf meiner Tour seit Wien wohl noch keine zu Gesicht bekommen habe - und schon kann ich ganz kurz den Blick auf eine erhaschen...

Nach der Scharte ist vor der Scharte und so geht es ins Gumpenkar hinein - wobei ich weder große Wasserläufe, geschweige denn Gumpen entdecken kann:

Aber eine richntige Gams-Arena ist dieser Kessel: Erst rechts zwei einzelne und dann links im Geröll ein ganzer Kindergarten mit Erziehungsberechtigten und Schutzpolizist.

Die kleinen sind lustig und noch etwas tollpatschig: Sie sehen aus wie Kinderschuhkartons auf tapsigen Stelzen :-)

Für mich geht es gleich weiter, hoch zum Gabelschrofensattel auf 1.940 Metern der mutmaßlich höchste Punkt auf meiner Tour bis dann in der Schweiz die richtig hohen Übergänge vorgesehen sind.

Der Blick bergab auf der anderen Seite (nachdem ich - nun wieder mit Handy-Empfang - noch nachträgliche Geburtstagsgrüße ans Nordkapp übermittelt habe) offenbart ein bevorstehendes, nettes Zick-Zack bergab und dann an der Felswand entlang:

Die Ausblicke sind heute echt nett und so langsam sind hier auch einige Leute unterwegs, nachdem ich vorher kaum Menschen getroffen hatte.

Vom Ahornsattel - nach Beschreitung eines Halbkreises - kann ich nochmal hoch zum Gabelschrofensattel blicken:

Schon beeindruckend, wo richtig angenehme Wege (rot, aber alles andere als so dunkel-blau wie gestern der Weg hinab nach Linderhof) durch die Berge führen...

Wobei manchmal diese Wege (bzw. die Hilfsmittel) vielleicht schon mal geprüft und zuweilen in Stand gesetzt werden könnten, denn es dürfte ja nicht unendlich schwierig sein, hier mal ein neues Brett reinzuschrauben:

Für mich geht es ungebrochen weiter zum Tegelberg - dem Hausberg von Füssen und Schwangau.

Im Panorama-Restaurant neben der Seilbahnbergstation gönne ich mir eine kleine Zwischenmahlzeit, die sehr lecker ist:

Allerdings schlägt sie mir - aus unerfindlichen Gründen etwas auf den Magen :-(

Nachdem ich die Express-Seilbahn passiert habe (damit möchte ich ja nicht ins Tal saußen !), suche ich mir im Wald danach ein schattiges Plätzchen und lege erstmal eine Sonderpause ein und telefoniere fast eine Stunde mit dem Büro. Seit Tagen schon wollte ich meinen Stellvertreter mal zurückrufen, hat aber irgendwie nie gepaßt: Falscher Wochentag, falsche Tageszeit, kein Empfang, unpassendes Wetter, nicht drangedacht, Mittagspause, ... bei so einem Wanderprojekt gibt es einfach sehr viele priorisierte Randbedingungen :-)

Irgendwann geht's weiter, denn ich habe ja heute noch einiges vor mir und es ist bereits späterer Nachmittag.

Also weiter im Abstieg...

Ein paar nette junge Leute bieten dann bei dieser Aussicht gleich mal an, ein Foto von mir zu schießen:

Nun ja, da hilft auch kein Märchenschloß im Bild, aber zumindest kann sich Marianne mal eine Antwort auf ihre Frage zusammenreimen.

Von der Marienbrücke dann das klassische Motiv von Deutschlands ZWEITwichtigster (nach Besucherzahlen) Sehenswürdigkeit:

Seit meiner Geburt, hatte ich bisher ja nur die heutige Nummer eins besucht und Neuschwanstein nun erst eines Blickes gewürdigt, als es nur noch Nummer zwei HINTER dem Miniaturwunderland in Hamburg ist.

Da waren die Wiener ja die Tage noch (bevor es zum Geburtstag schnell weiter zum Nordkapp ging), allerdings hat Ania in neunstündiger Prüfungsbearbeitungszeit und der Erlaubnis der Nutzung sämtlicher möglicher Hilfsmittel (ich vermute, die hatte sogar ein T.O.M. dabei) leider versagt: Nur 34,6% korrekte Antworten. Das ist leider mangelhaft. Das weitere Vorrücken erfolgt auf Probe. Zu gegebener Zeit kann/darf/soll/muß die Prüfung wiederholt werden.

Immerhin: Die 26 (spontanen) Fragen (aus meinem Gedächtnissieb) bleiben EVTL. (bei guter Führung) gleich ;-)


Nachdem ich mich durch die asiatisch dominierten Besucher- und Foto-/Selfie-Massen auf der Marienbrücke geschlängelt habe und auch nicht von einer Amerikanerin (im Auftrag meines Vaters ? - Lebensversicherung, you know) in die Schlucht/den Tod gestürzt wurde (wie dies kürzlich einer Frau unverhofft mit einem Amerikaner passierte), erreiche ich die Abzweigung, um die Touristenmassen auf den planierten Trassen zurückzulassen:

Allerdings: Pustekuchen...

Sieht auch nicht so aus, als sei das erst seit gestern so. Umleitung natürlich ebenfalls Fehlanzeige :-(

Also mit der Meute ins Tal und dann noch ein paar Kilometer Radweg am Endstück der Romatischen Straße (vom Main bis an die Alpen) entlang.

Bodensee-Königssee-Radler gibt es hier auch wieder: Da könnte doch mal jemand so einen Radel-Cache legen...

Kurz nach 18:00 Uhr erreiche ich Füssen.

Etwas verwundert bin ich im Hostel über einen britischen Teenager, obwohl - nein, WEIL er gerade gar nicht da ist.

Ich unterhalte mich nett mit seiner Mutter, die jedes Jahr mit einem ihrer drei Kinder eine Reise unternimmt, als ihr Handy klingelt: Der Sohn ist dran. Einer dieser "digital Natives".

Es ist eine Art Notruf. Er weiß nicht, wo er ist. Er findet nicht mehr zurück.

Rückfrage der Mutter am Telefon: "Really ? In Fussen ?"

Mittlerweile glaube ich ja nicht mehr unbedingt, daß die jüngeren Generationen mit der digitalen Technik besser zurechtkommen, sondern daß sie damit nur ausgestattet wurden, um geholfen zu bekommen: Die Mutter aktiviert auf IHREM Handy die Ortung des Sohnes und beschreibt ihm in den nächsten fünf Anrufen Schritt für Schritt, wohin er als nächstes gehen muß.

Das ist ungefähr wie Map&Guide Ende der 1990er-Jahre mit diesen Abiegeanweisungslisten - die hat man sich allerdings damals noch selbst vorbereitet. Mama !

Manchmal bin ich wohl echt naiv: GoogleMaps-Nutzung auf dem Smartphone bekomme doch sogar ICH Handy-Allergiker hin...


Begegnungen:

- 1 Münchner Radler beim Frühstück

- Vater mit zwei Töchtern und einem Freund dazu aus NRW noch in der Hütte

- 1 Gams

- 2 Gämsen

- 9 Gämsen

- 1 Bodensee-Königssee Radler

- UK-Mom mit Teenager-Sohn im Hostel

- 1 Kiwi

- 3 Kiwis + 1 Deutsch-US-Kiwi


1 Kommentar:

  1. Schloss Neuschwanstein kann nix entstellen :) Scherz, schaust ja eh ganz adrett und sportlich aus, da hat das Schloss bestimmt schon schlimmere Gestalten mit auf dem Foto gehabt ;)

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