Donnerstag, 31. August 2023

Tag 72: Der Täter ist zurück am Tatort

Maljasset - Larche
(27,3 km - 1.290 Hm auf - 1.440 Hm ab)

Der Spätsommer ist eingekehrt: Einstellige Temperaturen am Morgen beim Losgehen im Schatten, aber stabiles Schönwetter.

Ein lachendes und ein weinendes Auge sozusagen. - Immerhin gut, daß es noch nicht gefriert (2014 hatte ich am 01.09. erstmals Bodenfrost und gefrorene Pfützen) ;-)

Fast zehn Kilometer muß ich heute zuerst mal gen Südwesten gen Talausgang marschieren.

Teilweise auf der Straße, teilweise weg von der Fahrbahn über Trampelpfade oder Forstwege.

Die ersten acht Kilometer verlaufen im Schatten, weswegen ich trotz des guten Wetters mit langen Hosenbeinen gestartet bin und was auch wirklich bitter nötig ist.

Unterwegs etwas Auflockerung am Weg (finde DEN Fehler !):

Als ich am Fluß diese Brücke sehe, habe ich so meine Zweifel - um es mal vorsichtig und diplomatisch auszudrücken, aber dankenswerterweise (oder sollte ich etwa sagen "Gott, sei Dank" ?) bleibt der markierte Weg auf der orografisch rechten Seite des Flußes:

Etwas später geht es wieder an der Straße entlang und mittlerweile steht die Sonne hoch genug im Osten in meinem Rücken, so daß es deutlich wärmer wird.

Blick von oben zurück das Tal hinauf, das ich die ersten zwei Stunden herausgelaufen bin:

Ich stehe bei obigem Foto nämlich auf dieser Brücke (Pont du Châtelet), nachdem ich aus dem Talgrund gen Süden abgebogen bin und den ersten Aufstieg begonnen habe:

Gleich danach führt die Straße auch gleich noch durch einen engen Tunnel:

Aber Schafe waren kurz davor bereits in LKW verladen und großer Verkehr ist hier sonst nicht zu befürchten.

Kurze Zeit später führt ein Trampelpfad weg von der Straße und angenehm am Hang entlang bergauf.

Einige Zeit später komme ich kurz vor Fouillouse zurück auf die Straße, wobei nach dem Örtchen sowieso Schluß mit Zivilisation ist.

Ausgerechnet direkt an der Kirche wird mir dann ein unmoralisches Angebot unterbreitet:

Mmmh, dem GR6 könnte ich jetzt also von hier 900 Kilometer nach Bordeaux folgen.

Klingt auch nicht schlecht und da ich erst am 04. Oktober wieder auf der Arbeit sein muß, nicht mal so unrealistisch mit um die 30 Kilometer pro Tag, was aktuell schon gut machbar wäre, da mich die gegenwärtigen Etappen überhaupt nicht (mehr) anstrengen.

Pepi würde es sicherlich freuen und das uhug macht sich ja auch schon Gedanken um ausbleibenden Lesestoff. 

Aber gut, daß ich (ein wenig) träge bin: So schnell schießen die Preußen nicht und ändert K2 schon gleich gar nicht seine Ziele (die harten, die weichen und die kuscheligen) ;-)


Willkommen zurück in der Wildnis.

Willkommen zurück beim Gehen in ein Hochtal gen Süd(ost)en...

Die Infanterie-Festung Fort de Plate Lombard  (aus den 1930er-Jahren) bietet optimale Sitzgelegenheit für eine Mittagspause - Bunkerbesetzung mal anders:

Danach geht es stufenweise weiter bergan und zum Schluß in Serpentinen hoch zum Paß, wo im Juni 1940 die Italiener abwärts - und geradewegs in Artillerie-Sperrfeuer - stürmten...

Ich habe nicht vor, zurück zu gehen, aber einen entsprechenden Blick darf man natürlich schon werfen:

Direkt am Übergang finde ich dann einen Hinweis, den ich an dieser Stelle an bedürftige OberbayerInneN weiterleiten möchte (von wegen katholisch, Feiertag im August und unGLAUBliche Wissenslücken):

Neues Testament !

Nachdem ich mich vor Grinsen (bis Lachen) - bin ja weit genug für Ad-hoc-Strafaktionen entfernt - kaum noch auf dem Weg halten kann, bin ich wirklich froh, daß die Pfade hier so technisch einfach und in der Regel auch nicht absturzgefährdend sind.

Der Lac du Vallonet Inférieur ist auch nur noch ein Schatten seiner selbst:

Der Weg führt durch eine Senke auf ca. 2.350 Metern und mündet dann in die alte Militärstraße hinauf zur Fort-artigen Kaserne unterhalb der Festung am Gipfel im Hintergrund und knapp unterhalb des Übergangs, der mich ins Nachbartal führen wird. 

Unterwegs unweit des Weges mal wieder ein kleines Murmeltier, was mit einer Pfote ähnlich wie ein Mensch oder Affe hantiert:

Von der alten Kaserne steht noch einiges und so schaue ich mir das zwischendurch mal genauer an...

Der Eingang ist auf der Rückseite dem Berg zugewandt:

Im Inneren befindet sich ein großer Innenhof, wie bei einer mittelalterlichen Burg:

Ein kleiner Teil der Gebäude verfügt noch/wieder über ein Blechdach und so läßt es sich hier eigentlich aushalten, wovon auch Hinweise auf Biwakierende zeugen:

Ich muß/darf noch 50 Höhenmeter weiter einen Pfad aufsteigen und kann mir so nochmal einen Überblick verschaffen:

Bis zur Festung am Gipfel führt mich der GR5 allerdings nicht, sondern gleich hinter dem alten Telegrafenmasten biege ich am Col rechts ab...

Der Talgrund mit meinem Tagesziel Larche ist noch nicht zu sehen, aber es geht schon erstmal ordentlich bergab.

Zuvor noch schnell eine aktuelle Selbstablichtung bei bestem Wetter für spätere - aber nicht unbedingt bessere - Zeiten erstellen...

Dann geht es in die Abstiegs-Serpentinen...

Ein weiterer traumhafter (Wander-)Tag neigt sich so langsam seinem Ende - in Form des Tagesziels - entgegen.

Am Punkt 1893, wo französische Truppen die vom Col de Sautron kommenden Italiener 1940 empfingen, treffe ich auf die beiden älteren Franzosen, die bereits seit dem Abend nach Briaçon parallel zu mir unterwegs sind, und auf den jungen Franzosen aus Bordeaux, der in Ceillac wieder eingestiegen ist, nachdem er das nördliche GR5-Stück wohl im Juli gegangen war.

Beim Abstieg bin ich dann irgendwie auf dem falschen Weg.

Da ich zu faul bin, zurück zu gehen, versuche ich zu queren, allerdings ist das auch nur bedingt zielführend.

Also schaue ich mir das Gelände und die tiefer liegende Gegend an, wo ich prompt Wegspuren erkennen kann.

Also erstmal wild bis dorthin absteigen.

Nun, soooo wild scheint das gar nicht zu sein, denn mein Augenmaß führt mich augenscheinlich auf einen alten Weg, auch wenn die Markierung schon stark ausgeblichen ist:

Im Tal kurz vor dem Ort Larche komme ich dann wieder auf den eigentlichen Weg und kann nochmal zurückschauen auf die Festung oben am Berg und auch auf das Tal, wo der Weg vom Col de Sautron herunterkommt:

Dieser Weg ist mir schließlich nur zu gut bekannt, war ich doch am 4. September 2014 dort oben auf dem Weg von Graz nach Monaco von Italien herüber gekommen.

Prompt habe ich für heute in der einfacheren Unterkunft gebucht, wo ich auch damals untergekommen war:

Am Tisch rechts saß ich damals mit der ganzen englischsprachigen Bagage, die ich hier kennenlernte.

Die nächsten fünf Etappen hinein in den Mercantour-Nationalpark und die Seealpen kenne ich von damals bereits, aber sie waren (überwiegend) so schön wie eindrucksvoll, daß ich sie einerseits nochmal gerne gehe und andererseits haben sie immerhin überhaupt erst für diese Route 2023 gesorgt, wollte ich doch (seit) damals immer mal den GR5 komplett gehen.

Wie das mit solchen Zielen so ist: Ich neige dazu, etwas zu brauchen, aber irgendwann ist bei mir nicht unbedingt nirgendwann.


Da waren's nur noch 8...


Übergänge:

- Fort de la Lombarde, 2.190m

- Col du Vallonet, 2.524m

- Col de Mallemort, 2.552m


Begegnungen:

- 4 Murmeltiere

- 1 Esel

- 1 kleines schwarzes Eichhörnchen

- 2x 1 Murmeltier

- 1 kleines Murmeltier

- 2x 1 Murmeltier

- junger Franzose von Ceillac + die zwei älteren Herren am Punkt 1893 und später in der Unterkunft


Mittwoch, 30. August 2023

Tag 71: Der finale Countdown läuft

Ceillac - Maljasset
(15,8 km - 1.100 Hm auf - 870 Hm ab)

Blauer Himmel, Sonnenschein, aber die Temperaturen sind selbst nach 09:00 Uhr (ich bin mal wieder der letzte) noch bzw. schon herbstlich, aber es sind ja auch nur noch gut 200 Kilometer bis Nizza.

Also los...

Gen Osten geht es erstmal im Tal am Bach entlang.

Hier hat ein künstlicher sich mit Holzfiguren ausgetobt. Besonders gut gefallen hat mir der wandernde Zwerg...

... und das (letzte) Einhorn: "[..] Komm, Einhorn, wir gehen."

Ganz liebe Grüße an die entsprechende Motto-Tasse in Mittelfranken (oder Anverwandte) an dieser Stelle ;-)

Die erste Geländestufe mit gut 200 Höhenmetern geht es heute im Serpentinenpfad ungewöhnlich steil bergauf, aber nach einer Weile normalisiert sich die Steigung auf GR5-übliche Verhältnisse: Man will ja nicht (so) ins Schwitzen kommen.

Lärchen dominieren mal wieder und durch das Hochtal geht es weiter gen Süden.

Der Spiegelsee wirkt heute recht grün, aber der Kontrast zu den weißen Bergen hat schon auch was.

Vom kleinen Übergang nach dem See nochmal ein Blick zurück in die unberührte Natur, vor mir liegt dagegen ein Skigebiet.

Über Pisten führt der Weg bergauf.

Zwischendurch wird sogar eine Schleppliftspur mißbraucht...

Auf 2.400 Metern lasse ich das Skigebiet aber endgültig hinter mir und an der Kapelle Sainte-Anne ist der türkise See der absolute Blickfang:

Am See geht es links vorbei und weiter in den Anstieg.

Auf der nächsten Geländestufe läßt sich rechts oben schon der Übergang erahnen, aber einige Kehren und ungefähr 200 Höhenmeter sind noch zu überwinden.

In dieser Höhe liegt noch etwas mehr Schnee, aber der Pfad ist jederzeit gut erkennbar und leicht zu gehen.

Vom zweithöchsten Übergang des GR5, dem Col Girardin (2.699m) blicke ich noch ein letztes Mal zurück:

Anschließend steht der Abstieg auf der Südseite an:

Zu Beginn muß ich mit dem teils matschigen, teils tiefen (aber griffigen) Schnee etwas aufpassen, aber größere Probleme macht auch der Abstieg bis zur ersten Geländestufe von oben nicht.

Im weiteren Verlauf sehe ich dann einige Murmeltiere, wobei ein kleines ca. 1 Meter vor mir ungeniert herumtollt:

Ich bleibe eine ganze Weile ruhig stehen und beobachte den kleinen Nager...

Auch wenn die Etappe heute sehr kurz ist (man könnte es auch Pausentag nennen), treiben mich die Tageshöchsttemperaturen von nicht mehr als 15° jenseits von 2.000 Meter bald weiter bergab.

Der Schlußabstieg ins Tal ist dann das anspruchsvollste Teilstück: Bei Regen oder Schnee möchte ich da im steilen Schieferbröselgelände nicht gehen - der Wanderführer rät gleich generell davon ab (gut, daß ich den eigentlich immer erst hinterher lese ;-). Heute ist es aber trocken und durch die Steilheit und die Südexposition läßt sich der Abstieg - angemessen langsam und Stock-gesichert - Schritt für Schritt gut gehen.

Unter mir kann ich auf 1.900 Metern bereits den kleinen Weiler Maljasset erkennen, wo ein Refuge des französischen Alpenvereins heute mein Tagesziel ist und nach gerade mal 4,75 Stunden Gehzeit bereits erreicht ist.

Das Haus ist in den Hang gebaut, erstreckt sich schräg über mehrere (Halb-)Etagen und ist total urig.

Im Gewölbe werden wir abends speisen:

Am Nachmittag gönne ich mir aber erstmal eine 6-Frucht-schichtige Blaubeertard:

Wenn es nur nicht so kalt wäre...


Der Countdown ist eingeläutet:

Da waren's nur noch 9...


Übergänge:

- Lac Miroir, 2.225m

- Col Girardin, 2.699m


Begegnungen:

- 5 Esel

- 1 hellblaue Libelle

- 1 Murmeltier

- 1 kleines Murmeltier

- 1 kleines Murmeltier

- 2 Murmeltiere

- 1 fette grüne Raupe

- 3x 1 Eidechse