Am Morgen in Klaus gilt es im Quartier vor dem Start noch zwei Dinge zu erledigen:
1. Näharbeiten (Flaschenhalter löst sich nach gerade mal 20 Jahren mehr und mehr auf - und der Lieferant ist schon lange im Ruhestand)
2. Rumtrödeln (mein Quartier in Liechtenstein hat mich am Vorabend nochmal telefonisch kontaktiert und erneut explizit darauf hingewiesen, daß eine Mafia-Erscheinung vor 17:00 Uhr Ortszeit keine Option ist)
Beides "eine unserer leichtesten Übungen", wie mein Patenonkel evtl. an dieser Stelle sagen würde (und meint, daß meine Patentante die Arbeit macht).
So starte ich erst nach 10:00 Uhr in einen schönen Tag.
Gewitter sind erst gegen Abend angesagt.
Mein Vater hatte mir zwei mögliche Routen zur Wahl gestellt, die sich prinzipiell unterscheiden und deren Variationen ich auch vor längerer Zeit zu Hause schon hin und her gewälzt hatte:
Entweder nach Westen marschieren und am (orographisch) rechten Rheinufer flußaufwärts oder gen Süden orientieren und an den Hügeln entlang bis Feldkirch und dann "rüber machen" nach Liechtenstein.
Ich entscheide mich für letzteres - und eine unbekannte Frau, wird es mir danken werden...
Die Hügelrunden meines Vaters ignoriere ich zwar, aber auch so komme ich über Nebensträßchen gut nach Rankweil.
Zuvor - in Röthis - werde ich dann noch von einer wildfremden, älteren Frau angesprochen. Weil ich ein Mann bin. Oh, Gott ! Sie hat ein Mietauto, steht auf dem Supermarktparkplatz und findet den Rückwärtsgang nicht (jeden Mist habe ihr der Mann bei der Übergabe erklärt, aber DAS nicht).
Ok, das dürfte ja nicht so schwierig wie Scheibenwischer bei einem Japaner (Verzweiflung nach meiner praktischen Motorrad-Führerschein-Prüfung !) sein.
Die Möglichkeiten sind endlich (drücken/drehen/ziehen + links/rechts + vorne/hinten). Also zwänge ich mich mal auf den Fahrersitz und prompt ist der Gang drin. Wahrscheinlich hieß die Dame allerdings Gabi: Sie glaubt mir nicht !
Ich muß mit den schweren Bergstiefeln in dem Franzosen auch noch den BEWEIS erbringen, daß die Kiste mit dem Rückwärtsgang auch wirklich rückwärts fährt !
Oh, Mann: Hätte mit ihr wetten sollen !
Vorarlberg ist ja nicht aus der Welt und wo bin ich nicht schon überall zu einem 3-Gänge-Menü angereist.
Die Frau ist unglaublich dankbar und ich fürchte fast, daß sie mir gleich noch um den Hals fällt.
Nun ja, nicht dafür ! Also nichts wie weg und weiter gen Süden...
Die Flüsse sehen (schon wieder) recht traurig aus:
Am südlichen Ortsrand von Rankweil ist dann bereits Feldkirch ausgeschildert und ich folge dem Fuß-/Radweg zwischen Waldrand und Eisenbahnlinie.
In den Vororten von Feldkirch zieht dann ein richtiges Gewitter auf, obwohl es noch nicht mal Mittag ist:
Mit Gewitter wurde ich in Wien verabschiedet. Mit Gewitter werde ich in Feldkirch - am anderen Ende Österreichs - begrüßt: Die Österreicher lassen es schon richtig krachen, wenn mal einer ein wenig durch ihr Land geht, da kann man nicht meckern.
Ich stelle mich 20 Minuten unter einem verlassenen Carport am Weg unter und sitze stehe damit den meisten Regen aus.
Schmunzeln muß ich dann als ich Feldkirch selbst ausgerechnet an der Schattenburg erreiche:
Am letzten Abend vor der Heimfahrt nach dem Zentralalpenweg 02 im Jahr 2017 war ich da ja mit suywen und mountain-fantasy zum Nachtessen gewesen.
Und nachdem ich selten vergesse, wo ich schon mal war, ist wenige Minuten später auch bereits der kleine Park mit dem Stein - DEM Stein - erreicht:
Gerüchten zu Folge soll es ja schon gestandene und erfahrene und große und schnelle und überhaupt österreichische WeitWanderWeg-Gurus gegeben haben, die haben ihn nicht gefunden (dabei sang Falco doch: "Ihr werdet sie nicht finden").
Nach 35 Tagen habe ich also den 02er-Endstein erreicht. Als ich noch sechs Jahre jünger war, brauchte ich noch über 70 Tage dafür.
Nach Adam Riese könnte man nun ggf. auf die Idee kommen rückwärts zu schließen und spitzfindig auf den Gedanken zu kommen, daß es entweder von Wien nach Hainburg an der Donau fünf Wochen zu Fuß sind (evtl. rückwärts auf einem Bein mit verbundenen Augen hüpfend) oder daß ich ein Wurmloch gefunden habe oder daß ich diesmal einfach besser geplant habe oder daß der Generalplan in den 02er einfach lauter Umwege eingebaut hat.
Vielleicht können mir Auswärtigem da ja (einheimische) Kenner der Materie mit hilfreichen Anregungen an möglichen (besseren) Erklärungen zur Seite stehen ?
Nachdem ich auf dem Weg von München nach Venedig 2008 ja eine groß angelegte Apfelstrudel-Test-Strecke evaluiert hatte, fiel das in diesem Jahr aus, weil fast alle Almen zu waren. Deswegen hatte ich mich seit Wien an den heißen Theken der Republik (und der zweiten Republik) mit LKWs gestärkt (Leberkasweckla). Im örtlichen Spar führe ich mir also eine letzte Henkersmahlzeit zu Gemüte und dann geht es nach Südwesten.
Das örtliche Gericht oder die örtliche JVA zeigt dann, daß die Uhren in Vorarlberg ("im Ländle") evtl. wirklich etwas anders ticken, denn nach der ersten Sicherheitsbarriere (Mauer mit Stacheldrahtkrone) kommt zweite Einfriedung mit Zaun und (Wach-)SCHAFEN:
Hunde, Gänse und was es nicht alles gibt, aber Schafe ?
Also entweder sind die speziell abgerichtet/gezüchtet oder (suywen hört jetzt besser mal weg/liest nicht weiter !) das sind so spezielle wie damals bei Worms. Wer erinnert sich noch an Mitte der 1990er-Jahre ?
Kurz vor der Grenze zu Liechtenstein noch eine Kontrollzählung:
18 Stück, Rest 0, weitermachen. Evtl. wird hier gerade weiteres Wachpersonal herangezogen ?
Dann erreiche ich den kleinen Alpenstaat zum zweiten Mal (nach 2017) zu Fuß:
Bei uns in Deutschland wird ja immer wieder erwähnt, daß Deutschland das einzige Land Zentraleuropas wäre, wo es keine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen gäbe.
Lügenpresse !
Ok, ok, der Anteil an Autobahnen am Gesamtlandesstraßennetz ist in Liechtenstein etwas geringer und wenn man ernsthaft beschleunigte, wäre man sowieso bereits außer Landes (wo man geblitzt und ordentlich zur Kasse gebeten würde). Aber es geht doch um's Prinzip !
Naja, Spaß beiseite: Die Liechtensteiner haben viele Dinge ja externalisiert: Zoll, PLZ-System, Militär, Grenzschutz, Katastrophenschutz und eben auch die Autobahnen ;-)
Dafür gibt es Wege statt Bahnen:
22 Störche zähle ich auf dem schmalen Wiesenstück auf der anderen Bahnseite, die nur immer mal kurz zur Seite hüpfen (aber kaum mehr als nötig), wenn der Bauer mit dem Traktor zum Mähen vorbeifährt.
Apropos Bahnen: Die Eisenbahn ist interessanterweise an die ÖBB externalisiert und nicht an die SBB:
Der Fürst läßt sein Schloß wohl gerade renovieren, aber laut Fahne ist er sogar gerade zu Hause:
Ich bevorzuge aber ein anderes Ziel: Die (Steuer-)Flüchtlings-Unterkunft (und Illegalen-Treff - ist nämlich gar nicht so einfach, hier legal zu wohnen - am einfachsten ist es augenscheinlich eine Liechtensteinerin zu heiraten) im Lettgräbli...
Um Punkt 17:00 Uhr biege ich also in die Zielstraße ein, denn ich will ja nicht, daß es mir wie der Deutschen Bahn (und der SNCF) geht: Die dürfen wegen Unpünktlichkeit/Unzuverlässigkeit ja demnächst nicht mehr durch die Schweiz fahren, sondern nur noch Grenzbahnhöfe "beehren": Wer mir schon wieder nicht glaubt: Unsere Fahrt endet hier.
Manch einer fragt sich jetzt evtl., wie man es bei knapp 30 Kilometer Wegstrecke heute (und mehr als 1.100 seit dem Start in Tolmin/Slowenien in der ersten Mai-Hälfte) schaffen kann, so pünktlich hier anzukommen: Nun ja, einfach mal das analoge Ziffernblatt in 58,5 Sekunden bei konstanter (Strom-)Netz-Frequenz umrunden, kurz (in sich) ruhen und dann vom großen Bruder mitnehmen lassen.
Seit 1944 bewährtes Mittel und meiner Meinung nach, muß man das Rad nicht immer wieder neu erfinden (typische Software-Entwickler-Krankheit !).
Fun-fact am Rande (den ich allerdings nur bedingt lustig finde): Apple verklagt gerade Schweizer Apfelbauern-Genossenschaft, weil sie einen APFEL (nicht angebissen, nicht abstrakt, sondern real) in ihrem Logo haben. Umgekehrt hat Apple eine Zeitlang widerrechtlich das Schweizer Bahnhofsuhren-Design für eine App genutzt und erst nachträglich - als das aufflog - Lizenzgebühr gezahlt. Solche Ganoven-Firmen liebe ich ja...
Wenige Meter weiter - kurz vor meiner Ziel-Adresse - hupt es um 17:01 Uhr hinter mir. Eigentlich brauche ich mich gar nicht umdrehen. Der Pepi kommt nach Hause !
Optimales Timing !
Ich nehme es also als Kompliment, wenn Pepi sagt, ich ginge wie ein Schweizer Uhrwerk und er mir dann noch extra ein Jahrgangsgetränk besorgt hat:
Am Abend drehen wir noch schnell eine (trockene) Runde durch's Städtchen.
Aber auch die kurzen Schauer sind zwischendurch immer wieder schnell vorbei.
Bei Lena, Mo und Pepi werde ich herzlich begrüßt und der Herr des Hauses sieht von der angekündigten Kärcher-Vorbehandlung im Dekontaminierungszelt ab. Meine Wäsche darf aber in die Waschmaschine und ich muß nur unter die Dusche und nicht - wie angekündigt - in die Spülmaschine: Als er mich so ansieht, erkennt er wohl das Problem: Weniger mit der Masse (ist ja aktuell reduziert), sondern mit dem Formfaktor und der (nicht vorhandenen) Beweg-/Biegbarkeit (ganz schön halsstarrig für einen "Gummihals").
Dani (mountain-fanatasy) kommt dann auch noch spontan vorbei:
Es wird ein schöner (und langer) Abend, wo Pepi und Dani ganz viele tolle München-Venedig-Geschichten erzählen (irgendwie auch sehr passend, daß ich just "28 Days Later" nach der Sendepause hier einlaufe), die ihnen irgendwie noch in der Erinnerung ziemlich präsent zu sein scheinen, obwohl es 2011/2012 gewesen sein dürfte, als der eine bzw. andere unterwegs war.
Mensch, wenn ich groß bin, mag ich auch mal sowas machen !
Vielen Dank für die süße Vorspeise (ganz nach meinem Gusto), das leckere Grill-Event (auch wenn dem Hausherrn zwischenzeitlich mal die Puste (das Gas) ausging ;-), die Unterkunft, die Besorgung, den Wäsche-Service, die Leih-Klamotten/-Schuhe und die nette Gesellschaft bei Freunden !
War schön, Euch mal wieder gesehen zu haben und wer weiß, 2024 wäre ja wieder so ein 4er-Jahr, wo doch 2020 Corona-bedingt das (inoffizielle) MVV-Event ausgefallen ist...
Und der sechste folgt zugleich...
Begegnungen:
- Frau, die Rückwärtsgang sucht
- 1 Milan
- 2 Milane
- 18 Schafe (0 Rest)
- 22 Störche auf 0,25 h Wiese
- Lena, Mo, Pepi (pepi71)
- Dani (mountain-fantasy)
Unglaublich, jetzt werd ich schon mal namentlich erwähnt und dann so... Aber wir schenken uns ja nix, du glaubst mir ja auch selten was :p
AntwortenLöschen1. Wir schenken uns nichts ? Das halte ich für ein Gerücht - könnte schwören/wetten, daß es schon Geschenke gab ;-b
Löschen2. Ich habe beruflich mit Software-Entwicklern und Managern zu tun. Das sind ja quasi die Nachfahren von Baron Münchhausen bzw. Pinocchio.
Von Glauben halte ich somit gar nichts - wobei natürlich jeder religiös sein darf - ich bevorzuge Wissen, überzeugende Fakten und logische Argumentationsketten.
3. Ich glaube (acuh) Dir natürlich ALLES, von dem ich meine, daß es stimmt :-)
Scherzkeks :))
AntwortenLöschenSchön wars! Endlich komm ich mal zu schreiben, obwohl du wortwörtlich schon wieder über alle Berge bist. Wir haben den Abend mit dir sehr genossen. Du hast dich ja auch perfekt vorbereitet, warst pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk und hast auch den chchchchch-Dialekt perfekt verstanden (somit entfällt der Gummihals :-)). Nun kann ich mich noch den kommenden Etappen wirdmen. Viel Genuss (und ständig eine handbreit Wasser unter dem Kiel, oder so... ;-)). Liebe Grüsse aus Vaduz
AntwortenLöschenHoi Pepi.
LöschenEuch und die Pistor-Jungs aus der Luzerner Ecke verstehe ich ganz gut, aber in Uri mußte ich jetzt schon paar Mal auf Schriftdütsch nachfragen...
Handbreit Wasser UNTER dem Kiel wäre kein Thema, morgen fürchte ich aber Wasser von oben: Naja, morgen ist kurze Etappe...
Liebe Grüße in den Osten,
K2.
Schade, da sind wir leider gut eineinhalb Monate zu spät in Feldkirch, um unsere (Fernwander-)Wege sich hier kreuzen zu lassen!
AntwortenLöschenDen Stein (nein, nicht nur den nahegelegenen gleichnamigen Weiler, der mich an seinen weiter östlich gelegenen Namensvetter denken ließ) haben wir auch gefunden, ganz ohne ihn gesucht zu haben. Der sah auch immer noch so aus wie auf deinem Bild, lediglich etwas nasser. Die Ill dagegen hatte heute nichts mehr von der gesunden türkisen Farbe, sondern ist zur braunen Brühe mutiert.
Hoffentlich entkommst Du weiter südlich dem Regen besser als wir, die wir unsere (rote) Via-Alpina-Wanderung hier als Schönwetterwanderer erstmal zwei Tage unterbrechen werden ...
Viele Grüße in die Südalpen!
Ja, aber hallo: Der Teledahner !
LöschenSchön, von Dir/Euch zu hören !!
Da wünsche ich Euch bald wieder schönes Wetter und laßt doch ruhig (nochmal) etwas von Euch hören, wie es Euch so wo erging !
Ich habe hier bisher relativ Glück: Erwische bisher weniger Regen als jeweils und auch aktuell noch angekündigt. Irgendwann hat es aber wohl mehr geregnet, denn hatte heute mit angeschwollenem Fluß zur Furtung und später mit Muren zu kämpfen...